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LEO Ein Postskriptum

1999 – Verlag publication PN°1 Bibliothek der Provinz Weitra

2002 – Verlag Ottobre 12 Uh. Hradiště (CZ)

 

Sein Name war Habler. Die Vorfahren hießen Haban, später dann in einer gemischtsprachigen Gegend Habaner. Der Name Habler ist eine etymologische Variante, die entweder durch eine Vereinfachung, eher aber durch eine bewußte Abweichung von der Bedeutung des Wortes entstand. Der Grund, warum sich die Vorfahren durch die Namensänderung der Identifikation entziehen wollten, ist bekannt. Die Habaner waren stets ein Fremdkörper in der Bevölkerungsstruktur gewesen, und obwohl ihre Geschichte eine Geschichte der Verfolgung war, gelang es der diskreditierenden Propaganda der ukrakatholischen Stellen, die Habaner als Teil der Wiedertäuferbewegung über Jahrhunderte in den Augen der Bevölkerung als gefährliche Sektierer zu verleumden.

Die Weltgeschichte ist voll von Emigrationswellen, die anfangs hauptsächlich die Lebensraumbeschaffung zum Ziel hatten. Gleichzeitig mit der Entstehung von verschiedenen Staats formen kam es zu politischen, sozialen und religiösen Konflikten, die oft zu kriegerischen Auseinandersetzungen oder zur Verfolgung unterlegener Volks¬gemeinschaften führten. Viele von ihnen konnten dem Druck nicht standhalten und wichen der Gewalt aus. Die Habaner, und damit auch die Vorfahren unseres Hablers, emigrierten im 16. Jh. aus den Alpenländern (Tirol, Schweiz, Süddeutschland), weil sie als Mitglieder einer Wiedertäufersekte von den herrschenden Katholiken intensivst verfolgt wurden. Schließlich fanden sie bei den toleranten mährischen Ständen Asyl, Sie waren außerordentlich geschickte Handwerker, die ihre Chance nur wegen der Ablehnung der Synthese von Staat und Kirche verspielten. Ihr Ziel war die Erneuerung der Kirche. Sie stellten sich gegen Zwangschristianisierung und Kin-dertaufe (!!). Ihrer Meinung nach sollten nur wirklich Gläubige, das heißt erwachsene Menschen, mittels Taufe in die christliche Gemeinschaft aufgenommen werden. Aus ihrer Heimat vertrieben suchten sie nach Orten, wo sie ihre religiösen Praktiken frei entfalten konnten. Diese haben sie vorläufig in Mähren, wo die religiöse Toleranz dank des protestantischen Teiles der Bevölkerung, eine Selbstverständlichkeit war, gefunden. Dort gründeten die Habaner christlich-kommunistisch organisierte Gemeinschaften, die vom Ferdinand l. sogar über die Grenze hinaus verfolgt wurden. Er versuchte die mährischen Standesherren zur Vertreibung der Habaner zu bewegen (Znaim 7.53-5, Olmütz ls)40). Diese hatten aber zum Glück mächtige Freunde und Gönner. Stellvertretend sollte der mährische Landeshauptmann Friedrich von Zerotin erwähnt werden, der in einer beinahe rebellischen Form die Anweisungen aus Wien ignorierte. Die mährischen Stände wurden von Ferdinand und später auch vom sonst toleranten Maximilian getadelt und daran erinnert, daß sie sich durch die Wahl der Habsburger auf den Königsthron zum Gehorsam verpflichtet hatten. Die Auseinandersetzung ging so weit, daß die Mährer androhten, die finanzielle Unterstützung des Reiches im Falle eines Krieges gegen die Türken einzustellen, sollten die Habaner weiter verfolgt werden. Schließlich waren sie es, die den wirtschaftlichen Aufschwung Südmährens einleiteten. In erster Linie waren es die protestantischen Stände, die sich so vehement für die »Andersgläubigen« einsetzten. Sie waren wegen des harten Eingreifens der aus Spanien gelenkten katholischen Kräfte verunsichert und wollten nicht einen Präzedenzfall für ihre eigene Verfolgung zulassen.
Die erste schriftliche Erwähnung der Habaner in Mähren stammt aus Nikolsburg aus dem Jahr l'52 6. Es handelt sich um eine Gruppe, die sich um den Philosophen und Philologen Dr. Baltasar Hubmeier formierte. Sie standen in engem Kontakt mit den, unter Führung von Hans Hut in Niederösterreich weilenden, streng pazifistischen Wiedertäufern. In den folgenden Jahren kam es zu einer Emigrationsflut, nicht nur aus den österreichischen Ländern. Die Ziele waren vor allem Mikulov (Nikolsburg), Brno (Brunn), Znojmo (Znaim), Slavkov (Austerlitz), aber auch andere Ortschaften Südmährens.
Die Habaner lebten in sogenannten Hofgemeinschaften. Sie strebten ein harmonisches, mit dem der früheren christlichen Gemeinschaften vergleichbares Miteinander an. Ihre Kleidung sowie Nahrung waren äußerst bescheiden, andererseits hatten sie ein hochentwickeltes Schulwesen, welches sogar eine vorschulische Betreuung in kindergartenähnlichen Einrichtungen vorsah. Obwohl sie ausgezeichnete Handwerker waren, lehnten sie jegliche Herstellung von Waffen ab. Ihr Können war aber so überzeugend, daß sie trotzdem zu den privilegiertesten und bestbezahlten Professionisten zählten. Gegen Ende ihres Aufenthaltes in Mähren besaßen sie einen Reichtum, der dem Wert einer großen feudalen Herrschaft entsprach. Nach der Schlacht am Weißen Berg (1620) wurden sie, ebenso wie die Protestanten, unter Androhung des Todesurteils aus Mähren ausgewiesen. Ihr Eigentum sollte konfisziert werden, dies geschah aber nur zum Teil. Die Mährer solidarisierten sich mit den Habanern und halfen mit Fuhrwerken, ihr Gut nach Ungarn zu bringen.
Zehntausende Menschen aus etwa fünfzig habanischen Dörfern verloren dadurch auch ihre zweite Heimat. Weder in der Slowakei (Oberungarn), noch in Ungarn selbst konnten sie ein Zuhause finden. Zu verunsichert und mißtrauisch waren sie nach dem Verlust der neuen Heimat in Mähren geworden. Sie zogen weiter nach Rumänien und in die Ukraine, später aber kamen sie wieder zurück nach Mitteleuropa. 1874 emigrierte der Rest der Habaner nach Amerika, wo sie bis heute mehr oder weniger ihrem Glauben treu geblieben sind.

 

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